Der Wolf muss weg – wirklich?
Wildtiere werden regelmässig als «Feinde» des Menschen wahrgenommen. In Afrika wie auch in der Schweiz, wo jetzt das revidierte Jagdgesetz zum «Abschussgesetz» degradiert werden soll. Verhindern könnte dies das Referendum gegen die angepeilte Gesetzesrevision. Am 17. Mai hätte die Stimmbevölkerung über die Vorlage entscheiden sollen. Die Abstimmung wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. So bleibt der Wolf – Corona-Krise sei Dank – vorderhand richtig geschützt.
Von Matthias Brunner - FSS
Die Wildtiere sind in der Serengeti ebenso durch menschliche Aktivitäten bedroht wie auf der ganzen Welt – und selbst in der hochtechnisierten, reichen Schweiz. Dabei bedarf das Wild unseren besonderen Schutz.
Doch die jetzt vorliegende und vorderhand hinausgeschobene Revision des eidgenössischen Jagdgesetzes würde – statt den Artenschutz zu fördern – diesen im Gegenteil noch abschwächen. Im Fokus steht insbesondere der Wolf. Dieser ist vor allem den Nutztierhaltern und -halterinnen ein Dorn im Auge. Sie bangen um ihre Schafe, ihre Ziegen und ihre Kälber.
Wolfsrudel: Unterwegs in der Schweizer Wildnis | © Foto Gruppe Wolf Schweiz (GWS)
Gegen 70 Wölfe in der Schweiz
Um die Relationen aufzuzeigen: Laut Erhebungen der Gruppe Wolf Schweiz leben hierzulande etwa 60 bis 70 Wölfe in mindestens sieben nachgewiesenen Rudeln. Zwar kommt es gelegentlich zu Rissen an Nutztieren. Meistens handelt es sich dabei um ungeschützte Schafherden. Doch kommen jährlich rund 4’000 Schafe während der Sömmerung durch Unfälle, Abstürze oder Krankheiten ums Leben.
Bisher brauchte es für die Abschussbewilligung eines Wolfes die Zustimmung durch den Bund. Nach der Revision könnten die Kantone nach eigenem Gutdünken Regulierungen verfügen. Dabei liegt schon seit fünf Jahren die Kompetenz für den Abschuss schadenstiftender Einzelwölfe bei den Kantonen. Mit teils fatalen Folgen: Gerade der wolfsfeindlich eingestellte Kanton Wallis missbrauchte diese Kompetenzverschiebung wiederholt, um Wölfe widerrechtlich zum Abschuss freizugeben.
Wölfin mit Welpe: Nicht in der freien Natur, «nur» im Zoo Zürich | © Foto Ruedi Suter
Schweiz soll die «Berner Konvention» verletzen
Doch neu wäre es möglich, den Wolfsbestand immer zu «regulieren». Die bedeutet nichts weniger als einzelne Tiere aus dem Familienverband zu reissen – und umzubringen. Dafür genügt bereits ein drohender Schaden durch Wölfe an Nutztieren, selbst bei ungeschützten Herden.
Dies wäre eine klare Verletzung der Berner Konvention, die den Wolf als grundsätzlich streng geschützte Tierart auflistet. Den Wolfsgegnern ist dies egal. Sie nehmen sogar die Kündigung dieses wichtigen internationalen Artenschutzabkommens in Kauf.
Artenschutz wird massiv demontiert
Wolf: Wachsam, sozial, intelligent und ein guter Jäger | © Foto Gary Kramer, wikipedia
Die vom Bundesparlament beschlossene Revision des Jagdgesetzes würde aber nicht bloss den Schutz des Wolfes faktisch abschaffen. Statt den Artenschutz zu fördern, würde dieser sogar geschwächt. Denn der Bundesrat bekäme die alleinige Entscheidungsgewalt, weitere geschützte Tierarten als «regulierbar» zu erklären.
Und zwar einfach auf dem Verordnungsweg, ohne dass dagegen jemand ein Referendum ergreifen oder eine Beschwerde eingelegen könnte.
Denn Achtung: Die Gefahr ist real, dass plötzlich auch der Luchs und der Biber, der Graureiher oder – in absehbarer Zeit – auch die Fischotter und Bären vom Bundesrat als «regulierbare Tierarten» gelistet würden, obwohl sie «eigentlich» per Gesetz geschützt sind. Was schon ein Widerspruch in sich selbst ist.
Ohne Wildtiere keine Wildnisse
Aber genau darauf hoffen bestimmte Kreise mit ihren Partikularinteressen. Schon jetzt beschweren sich Jäger und Jägerinnen über angeblich zu hohe Luchsbestände. Die Waidmänner und -frauen fürchten die Raubtiere als unerwünschte Konkurrenz. Und Landwirte ärgern sich über Biber, wenn diese durch ihre Aktivitäten beispielsweise einen Baum fällen oder ein Feld unter Wasser setzen.
Fischer und Fischerinnen wiederum ärgern sich über Graureiher, Kormorane und Gänsesäger. Ihr Argument: Die geschickten Vögel würden ihnen «ihre» Fische wegschnappen. Was es aber tatsächlich braucht: Mehr Verständnis für Wildtiere – und kein entschärftes Jagdgesetz. Denn wilde Tiere sind ein unerlässlicher Bestandteil unserer Natur. Sie haben genauso eine Daseinsberechtigung wie wir Menschen.
Titebild: Wolf, den Menschen beobchtend | © Foto Gary Kramer, Wikipedia