Die Befreiung der Elefanten Jounbahn & Mae Seang
Auch das Dasein Asiatischer Elefanten ist schwieriger denn je. Das Verschwinden des natürlichen Lebensraumes aber auch ihre missbräuchliche Nutzung als Arbeitstiere setzen den sensiblen Tieren enorm zu.
Nun konnten in Laos die beiden Elefanten Mae Seang und Joumbahn dank persönlicher Initiative aus der Schweiz aus einem Vergnügungspark befreit und in natürlichen Lebensraum zurückgeführt werden. Hier die umfassende Reportage über die Mut machende Rettungsaktion und die alarmierende Situation aller Elefanten in Asien.
Von Elisabeth Labes*
Die dramatische Situation Afrikanischer Elefanten ist bekannt. Besonders die aktuelle Gefangenhaltung von über 30 wilden Elefantenbabies in Simbabwe machte in den letzten Monaten Schlagzeilen. Sie sind die bisher letzten Jungtiere, die das Land an ausländische Zoos und Zirkusse, vor allem nach China und Pakistan, verkaufen will. Da CITES-Beschlüsse sofortige Wirksamkeit haben, sollten die geplanten Exporte damit ausgeschlossen sein. Es bleibt zu hoffen, dass dies realisiert werden kann.
Sehr viel seltener hört und liesst man jedoch über die Situation Asiatischer Elefanten. Durch ihre Auflistung in Anhang I (siehe Kasten unten) stehen sie unter dem höchsten Schutz. Auf der Roten Liste der Weltnaturschutzorganisation (IUCN) ist der Asiatische Elefant als «gefährdet» gelistet, mit abnehmendem Populationstrend.
Die Gesamtpopulation wurde 2003 auf rund 40'000 bis 50'000 sehr grob geschätzt. Für weite Strecken ihres Verbreitungsgebietes ist die Verteilung der Tiere bis heute unbekannt, und man kennt nur die Lokalisation einiger Populationen. Als relativ sicher gilt hingegen, dass etwa 5 Prozent der noch verbleibenden wilden Asiatischen Elefanten in Indien vorkommt.
Das fehlende Wissen über die Anzahl existierender Asiatischer Elefanten gilt auch für Laos, das im Vergleich zu seinen Nachbarn Thailand, China und Vietnam relativ wenig entwickelt ist und 2017 eine Armutsquote von 23 Prozent aufwies. Laut Schätzungen dürften es noch 500 bis 1'000 Individuen geben, davon jeweils die Hälfte wild bzw. in Gefangenschaft lebend. Sehr wahrscheinlich liegt die genaue Populationsgrösse aber deutlich darunter. Tendenz abnehmend. Trotz ihres hohen Schutzstatus. Wie ist das möglich?
Wie sieht die Wirklichkeit aus?
Letzten August hatte ich die Möglichkeit, nach Laos zu reisen und dort zwei Elefanten - das rund 25-jährige Weibchen Mae Seang und das etwa 30-jährige Männchen Joumbahn - aus der sogenannten Freihandelszone Boten nahe der Grenze zu China in das 422 km weiter südlich gelegene Elephant Conservation Center (ECC) in der Provinz Sayaboury zu verlegen.
Ziel der Befreiungsaktion: Weibchen Mae Seang + Männchen Joumbahn | © Alle Fotos by Elisabeth Labes
Dies war möglich, weil wir die beiden Elefanten ihren Besitzern abgekauft hatten. Initiant und Motor der Initiative war der Schweizer Journalist und Filmemacher Karl Ammann, der sich intensiv dafür eingesetzt hatte, zwei der in Boten eingesetzten Elefanten zu befreien, um sie in einem Schutzzentrum sicher unterzubringen.
Der Handel mit Asiatischen Elefanten
Anfangs war ich skeptisch. War der Kauf der beiden Elefanten überhaupt der richtige Ansatz zu ihrem Schutz? National bzw. international geschützte Tiere aus illegaler Haltung heraus zu holen setzt ihre Konfiszierung durch die zuständigen Behörden voraus, wonach sie im Idealfall von spezialisierten Schutzzentren aufgenommen werden.
In der Regel unterstützt der Kauf geschützter Tiere den illegalen Handel. Würden wir den Handel nicht unterstützen? Würden wir etwas Positives bewirken? Inwiefern könnte der Kauf zum Schutz der Elefanten beitragen? Wie ich erfahren sollte, ist die Situation der Elefanten in Laos eine völlig andere als die vieler anderer geschützten Gattungen.
Gefangen in der Sonderwirtschaftszone Boten
Das Grenzgebiet von Laos zu China und Myanmar besteht aus sanften Hügeln, die von dichtem Wald bedeckt sind. Basierend auf einem 2003 geschlossenen, 99-jährigen Vertrag zwischen Laos und China über eine Sonderwirtschaftszone auf laotischer Seite, errichtet China direkt an der Grenze eine künstliche Stadt inmitten des Waldes. Boten ist für China ein wichtiger Posten Bestandteil im Rahmen seiner «Belt and Road Initiative» («Neue Seidenstrasse»).
Elefanten zum Amusement: Warten auf den Einsatz in der «Oase der Freiheit und Entwicklung»
Eine Zugtrasse soll China über Boten mit Singapur verbinden. Über eine Fläche von 1'640 Hektaren entstehen teils 30-stöckige Bürotürme und zahlreiche Wohnanlagen für bis zu 300'000 Personen. In einem ansässigen Büro werden Wohnungen zum Verkauf angeboten. Das Geschäft scheint gut zu laufen.
Die einheimischen laotischen Dorfbewohner aber, die früher in den Hügeln lebten, wurden etwa 10 Kilometer talabwärts umgesiedelt – sie leben heute in ärmlichen Holzbaracken unter hygienisch miserablen Bedingungen und verdienen sich ihr geringes Einkommen in einer Salzmine.
Abholzungen und Erosionen, Bauten und Bulldozerkrach statt Urwaldstimmen
In diesem Boten, dieser «Oase der Freiheit und Entwicklung», wie es von chinesischer Seite heisst, startet unsere Reise. Die Szenerie ist surreal. Über mehrere Kilometer hinweg wurden der Wald abgeholzt und die Hügel planiert. Überall nackte, rostrote Erde. Darauf eine unüberschaubare Anzahl von Bulldozern und Trucks, die im zwölfstündigen Takt emsig Erde abtransportieren. Permanenter, aggressiver Lärm, begleitet von riesigen rostroten Staubwolken.
«Arbeitsweg» nach Gewitter: Bulle Joumbahn und Mahout Mung auf dem Weg zum Theater
Ohne Unterbrechung kommen LKWs in der Stadt an und warten in langen Schlangen am offiziellen Grenzübergang auf die Weiterfahrt nach China. Vor den Baustellen neuer Gebäude stehen riesige Reklameschilder mit Abbildungen der zukünftigen Wunderstadt.
Die zerstörte, kahle Umgebung wirkt wie eine klaffende Wunde inmitten ursprünglich intakter Natur. Nur abends höre ich an meinem Hotelzimmerfenster die feinen Stimmen der Tiere im Wald. Sie gehen vollkommen unter im tagtäglichen Getöse.
«Ladyboys» und Elefanten amüsieren die Touristen und Touristinnen
Aus der Zeit der chinesischen Kasinos, die anfangs in Boten ihr Unwesen trieben, ist heute noch ein äusserlich heruntergekommenes Theater übrig, in dem an sechs Tagen der Woche eine „Ladyboy Show“ stattfindet. Schlanke, langbeinige thailändische Transvestiten stehen dort jeden Abend vor Showbeginn in knappen, federgeschmückten Kostümen auf einem schmucklosen Betonplatz und animieren die mit Reisebussen antransportierten chinesischen Touristen dazu, teure Fotos mit ihnen zu kaufen.
Grelles, buntes Licht strahlt über die Szenerie, laute Musik dröhnt aus riesigen Lautsprechern. Auf einer seitlich abgetrennten Fläche warten angekettet vier Elefanten, drei Weibchen und ein Männchen, als weitere Fotomotive auf die Touristen. Auf der einen Seite die vielen Menschen, das grelle Licht und die laute Musik, auf der anderen die donnernden Bulldozer und Trucks, die sich bis an den Betonvorplatz heranfressen. Ein Dauerstress für die sensiblen Tiere.
Unter ihnen Mae Saeng und Joumbahn – hoffentlich bald «unsere» Elefanten! Die abendlichen Stunden vor dem Theater sind die einzige Zeit, wo die Vier Sozialkontakt haben. Mae Saeng und Joumbahn spielen intensiv miteinander. Mit ihren Rüsseln berühren sie sich gegenseitig, tasten sich ab, schlingen sie umeinander. Als den beiden auf unsere Bitte hin die Fusskette gelöst wird, versucht Joumbahn mehrmals, Mae Saeng zu besteigen.
Ist dieses elende Elefantenleben wirklich so schlimm?
Nach zwei Stunden ist die Show vorbei. Die Mahouts bringen ihre Elefanten zurück in den Wald, wo sie die Nacht über alleine bleiben werden. Eine 40 Meter lange Kette erlaubt ihnen, genug Nahrung zu finden und sich hinzulegen. Am nächsten Morgen werden die Mahouts sie zurück nach Boten bringen, wo sie durch die Stadt laufen, um Werbung für die Show zu machen, und sie danach wieder in den Wald zurückbringen bis zum frühen Nachmittag. Dann gehen sie zum Theater und werden dort für den Abend gewaschen. Das ist ihr Tagesablauf.
Anfangs denke ich: So schlimm ist das vielleicht gar nicht. Die Tiere verbringen viele Stunden im Wald, fressen dort, ruhen sich aus und sind ungestört. Die Zeit während der Show ist anstrengend, aber nicht allzu lang und sie werden mehr oder weniger in Ruhe gelassen. Sie müssen weder hart arbeiten noch entwürdigende Kunststücke vorführen.
Doch schnell fällt auf, dass diese Elefanten wie gehorsame Hunde funktionieren. Selbst Joumbahn mit seiner beeindruckenden Grösse und den langen Stosszähnen gehorcht auf jedes Kommando seines Mahouts und ist in dessen Anwesenheit vollkommen passiv.
«Arbeitsweg» nach Gewitter: Bulle Joumbahn und Mahout Mung auf dem Weg zum Theater
Gebrochene Persönlichkeiten
Ist der Mahout bei ihm, hört er auf, ein Individuum zu sein. Er wartet auf ein Kommando und gehorcht. Ausser seiner Nahrungsaufnahme gibt es nichts, das er selber kontrollieren kann. Alles in seinem Leben wird über ihn entschieden, jede Minute, jeder Schritt. Er gehört nicht sich selbst.
Wenn seine Besitzer entscheiden, ihn an einen chinesischen Zirkus zu verkaufen, wird er dort hingehen müssen und nie wieder zurück kommen.
Elefanten werden oft mit unseren Pferden verglichen – wir würden ja das gleiche mit ihnen machen. Das trifft zwar zu, ist aber genauso zu hinterfragen. Vor allem aber sind Pferde seit Jahrhunderten domestiziert. Elefanten sind Wildtiere, die als Jungtiere auf grausame Art gebrochen werden, um handhabbar zu sein. So wie dies früher – und leider auch heute noch oft – mit Wildpferden gemacht wurde. Das war und ist grausam. Und es gefährdet den Bestand.
In Ketten gelegt, um die Persönlichkeit zu brechen: Jungelefant in Thailand | © Foto by Ruedi Suter
Endlich freigekauft
In der Zwischenzeit laufen die letzten Absprachen, um Mae Saeng und Joumbahn kaufen zu können. Eine Person, die den Transporter nach Boten bringen sollte, erscheint nicht. Weitere Schwierigkeiten treten auf. Schliesslich organisieren wir selber den Transport. Mit den benötigten Papieren in der Tasche werden Mae Saeng und Joumbahn an einem frühen Morgen auf den langen Truck geladen – und es geht los zur Zollstation der Freihandelszone.
Diese liegt zwischen Boten und dem übrigen Laos und hat für uns eigentlich keine Relevanz, da wir uns ja auch in Boten im laotischen Staat befinden. Doch die Zollbeamten machen Schwierigkeiten, verlangen zusätzliche Dokumente und lassen uns nicht durch, obwohl wir alle erforderlichen Papiere vorzeigen, in Laotisch und Chinesisch übersetzt.
Der Truck mit Mae Saeng und Joumbahn muss warten. Erst eine halbe Stunde, dann eine Stunde, dann zwei, drei, vier Stunden! Es ist heiss und staubig, der Truck steht in der Sonne, Schatten gibt es nicht, Trucks donnern pausenlos an ihm vorbei. Ich rechne: Pro Minute fahren etwa vier Trucks nach Boten rein und von dort weiter nach China. Keine ausreichende Zeit, die transportierten Waren regelmässig zu kontrollieren. Auch Elefanten werden über die Grenze von Laos nach China gekarrt, obwohl das illegal ist.
Papierkrieg und überflüssige Zollformalitäten
Unsere beiden Elefanten aber, die wir den Vorschriften entsprechend und ganz legal aus Boten wegbringen wollen, müssen sage und schreibe einen vollen Tag im Truck warten, bevor wir im letzten Moment das plötzlich so relevante Dokument erhalten. Nicht wissend, ob wir es durch den Zoll schaffen würden, kaufen wir Futter und eine Plane, um die Zwei vor der Sonne zu schützen. Am Abend können wir endlich losfahren. Nach insgesamt zwei Tagen Fahrt kommen wir endlich im Naturschutzzentrum an.
Tagelanges Warten im Laster: Die frei gekauften Elefanten auf dem Weg in die Freiheit
Ein berührender Moment, als die Rückklappe des Trucks geöffnet wird und Joumbahn, vorsichtig nach hinten auf den für ihn unbekannten Untergrund tretend, rückwärts die Ladefläche verlässt. Nun nicht mehr angebunden, entschwindet er im nahe gelegenen Dickicht. Mae Saeng folgt ihm ohne Umschweife.
Die beiden haben einfach grossen Hunger. Und wir? Wir hatten es geschafft! Es ist ein wunderbares Gefühl, endlich am Ziel zu sein und zu wissen, dass unsere zwei Freunde nun an einem guten Ort sind. Keine grellen Lichter mehr, keine Menschenmassen, keine dröhnende Musik und keine lärmenden Bulldozer mehr. Keine zerstörte Natur. Stattdessen intakter, dichter Wald und Stille.
Die Elefanten erhalten jüngere Mahouts
Die erste Nacht und die kommenden Tage verbringen Joumbahn und Mae Saeng abgetrennt von den anderen Elefanten des Zentrums im Wald. Jeden Tag werden sie zweimal an andere Stellen gebracht, um genügend Nahrung zu finden. Ansonsten lässt man sie in Ruhe, damit sie sich an die neue Umgebung gewöhnen können. Ihre bisherigen Mahouts bleiben noch eine Woche im Zentrum, um zwei der dort angestellten jüngeren Mahouts zu trainieren.
Das ist wichtig für die Sicherheit der Männer. Auch sie müssen die Elefanten zuerst kennenlernen. Mung, Joumbahn’s Mahout während der letzten sechs Jahre, reist also nach einer Woche wieder ab und kehrt in sein Heimatdorf zurück. Ich mag ihn, denn er ist schon ein älterer Mann und sehr erfahren mit Elefanten. Ich erlebe ihn immer sehr ruhig mit ihnen, weder aggressiv noch laut.
Auch reitet er nicht immer auf Joumbahn, sondern läuft oft neben ihm her. Ich denke, zwischen den beiden besteht ein Vertrauensverhältnis. Ob Mung seinen Elefanten vermissen wird? Oder ist es einfach ein Geschäft für ihn? Wahrscheinlich ist er froh, mit seinem Anteil nun seinen Lebensabend bestreiten und bei seiner Familie leben zu können.
Einleben im «Paradies»: Elefantenkuh Mae Seng mit Mamouth
Schwerstarbeiten für das Abholzen der Urwälder
Ich bleibe noch einige Zeit im ECC. Hier erfahre ich die Hintergründe für ihr Verschwinden in Laos. Ursprünglich lebten gezähmte Elefanten gemeinsam mit ihren Mahouts und deren Familien. Sie wurden nur bei Bedarf für schwere Arbeiten eingesetzt, z.B. beim Hausbau.
Dazwischen konnten sie mit anderen Elefanten ruhen. Anfang der 2000-er Jahre aber begann China, in grossem Stil Holz aus seinen Nachbarländern zu importieren. Der Wald wurde grossflächig gerodet und für den Abtransport der Stämme Elefanten eingesetzt.
Tierische Arbeitssklaven der Holzindustrie
Das hatte weitreichende Konsequenzen: Die Tiere mussten plötzlich ohne Unterbrechung arbeiten. Die Arbeit war für sie körperlich extrem herausfordernd, sie mussten sich oft gegen den Boden stemmen, um die logs aus dem Wasser oder Hügel hinauf zu ziehen. Die ihnen dafür angelegten Gurte und Ketten verursachten Infektionen.
Ging es hügelabwärts, knallten die Baumstämme den Tieren auf die Hinterbeine, was zu Brüchen, Prellungen und anderen schweren Verletzungen führte. Es war eine Ausbeutung sondergleichen. Die chinesische Nachfrage war so gross, dass keine Rücksicht auf die Tiere genommen wurde. In der Folge fielen viele Elefanten wegen ihren Verletzungen aus. Jahre später verbot die laotische Regierung den Einsatz der Elefanten in der Holzindustrie.
Der Gegensatz zur SonderwirtschaftszoneLebensie neue Heimat der Freigekauften
Mahout und Elefantenbulle Jounbahn \ © Fotos by Elisabeth Labes
Verliert Laos sein Nationaltier, den Elefanten?
Das war gut für die Elefanten, aber schlecht für die Mahouts, die nun keine Einnahmemöglichkeiten mehr hatten. Wohin mit den Tieren? Ältere und kranke Tiere wurden im Wald zurück gelassen, wo sie starben. Die jüngeren und gesunden aber wurden verkauft. Vor allem nach China, wo die Unterhaltungsindustrie seit Jahren boomt und ständig neue Parks und Zoos entstehen.
Ein Riesengeschäft. Die laotischen Elefanten gingen für teures Geld nach China, wo sie unter vollkommen unnatürlichen Bedingungen gehalten werden und für alberne Zirkusnummern trainiert wurden. Es gibt genügend Beschreibungen über die haarsträubende Behandlung und Haltung der Tiere. Dieser Ausverkauf ist illegal und natürlich nicht nachhaltig – Laos, einst das «Land der Millionen Elefanten» droht, sein Nationaltier für immer zu verlieren.
Arbeitselefanten: – gefangene, überbeansprucht und manipuliert
Um die Elefanten möglichst lange einzusetzen, wird ihre Fortpflanzung unterdrückt. Weibchen sind 18 bis 22 Monate lang trächtig und säugen ihre Babys bis zu 3 Jahre lang. In der Zeit sind sie nicht einsetzbar, was zu Einkommensausfällen führt;
Weibchen, die bis zu ihrem 30. Lebensjahr keine Jungtiere hatten, haben nur geringe Chancen, trächtig zu werden und Nachkommen grosszuziehen;
Männliche Elefanten geraten bis zu dreimal im Jahr in die mehrwöchige Musth, die, ausgelöst durch periodisch steigende Testosteronkonzentrationen, zu unkontrolliert aggressivem Verhalten führt. Da die Bullen in dieser Zeit nicht handhabbar sind, wird die Musth durch hormonelle Verhütungsmittel unterdrückt und kann bei langjähriger Gabe zu dauerhafter Unfruchtbarkeit führen;
Durch die isolierte Lebensweise bei ihrem Einsatz in abgeholzten Wäldern verlieren die Elefantenkühe ihre sozialen Kompetenzen. Normalerweise leben die Weibchen in grossen Familienverbänden, in denen die älteren Kühe den jüngeren alles Wichtige für das Überleben im Wald vermitteln, auch das Grossziehen von Babys und Jungtieren. Ältere Kühe haben daher einen hohen sozialen Rang und tragen eine grosse Verantwortung für die Gruppe. Elefanten, die ihre Mahouts als einzigen Sozialpartner haben und von ihnen täglich gefüttert werden, lernen nicht, in sozialen Gruppen zu leben, Jungtiere grosszuziehen und sich selbständig im Wald zu ernähren.
Zurück Urwald, der die Freiheit bedeutet: Ausgelöster Bulle Joumbahn
Das Wiederlernen lebenswichtiger Fähigkeiten
Damit wird die soziale Struktur der Tiere tiefgreifend zerstört. Sozial inkompetent, unfähig, sich zu ernähren und oftmals unfruchtbar haben sie keine Chance, zu einem natürlichen Leben zurück zu kehren. Das ist die grosse Herausforderung bei den Bemühungen, Asiatische Elefanten in Laos dauerhaft zu schützen.
Nahm das ECC ursprünglich Elefanten auf, um sie auf seinem Gelände zu erhalten, soll nun ein Zuchtprogramm gestartet werden, um unter Schutz gestellte Wälder wieder mit Elefanten aufzufüllen und neue, wilde Populationen zu schaffen. Ein sinnvoller, aber aufwendiger Ansatz.
Aufgenommene Tiere müssen zuerst resozialisiert werden und die selbständige Nahrungsaufnahme erlernen. Daher ist das Ziel, vor allem jüngere Weibchen und fruchtbare Männchen aufzunehmen. Im Zentrum leben bereits einige jüngere Kühe, darunter zwei mit Jungtieren. Sie verbringen täglich mehrere Stunden in einem Sozialisierungsareal gemeinsam mit den älteren Kühen, um diese zu resozialisieren.
Sicht- und fühlbare Fortschritte
Und die Fortschritte sind sichtbar. Die Jungtiere laufen zu den älteren Weibchen, um mit ihnen zu spielen. Weibchen schliessen Freundschaften untereinander und quieken vergnügt, wenn die gemeinsam im See baden.
Die Tiere fressen die Pflanzen im Wald und lernen so diese kennen. «Unsere» beiden Elefanten sind echte Hoffnungsträger: Mae Saeng zeigte immer wieder Interesse an anderen Weibchen, Joumbahn versuchte immer wieder, sich mit ihr zu verpaaren. Beide sind im fortpflanzungsfähigen Alter, beide sollen eines Tages ausgewildert werden.
Ein Vorbild für nachhaltigen Tourismus
Das Projekt hat noch einen weiteren Vorteil: Die Menschen in Laos erfahren, dass man Geld auch mit nicht arbeitenden Elefanten verdienen kann. Westliche Touristen und Touristinnen wollen Elefanten in natürlicher Umgebung sehen, nicht fahrradfahrend im Zirkus. Ein geistiger Wandel hat stattgefunden. Das ECC kann somit als Vorbild für nachhaltigen Tourismus dienen.
Bleibt noch die Antwort auf die eingangs gestellten Fragen: War es richtig, die zwei Elefanten zu kaufen? Die Antwort ist ja. Im Sinne der Beiden, da sie ab jetzt ein ihrem Verhalten entsprechendes Leben führen können. Im Sinne auch des Artenschutzes, da sie zur Schaffung einer neuen Generation von Elefanten in Laos beitragen können, welche die noch erhaltenen Wälder füllen kann. Und im Sinne der beiden Mahouts, die durch den Verkauf ein gutes Einkommen erzielten, ohne dass es für ihre Tiere negative Konsequenzen hatte.
Ein Überblick
WAS NÜTZT CITES DEN ELEFANTEN?
Vom 17. bis zum 28. August fand in Genf die 18. CITES-Conference of the Parties (CoP) statt. CITES (Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora, früher «Washingtoner Artenschutzabkommen») ist ein internationales Abkommen zwischen Regierungen. Ziel: Sicherzustellen, dass der internationale Handel mit wild lebenden Tieren und Pflanzen sowie deren «Produkte» nicht das Überleben der betreffenden Arten gefährdet.
183 Vertragsparteien ohne gesetzliche Verpflichtungen
Staaten und Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration treten dem Abkommen freiwillig bei und binden sich als Vertragsparteien an das Übereinkommen. Obwohl CITES rechtlich bindend ist – die Vertragsparteien müssen das Übereinkommen umsetzen -, tritt es nicht an die Stelle nationaler Gesetze. Es bietet vielmehr einen von jeder Vertragspartei zu respektierenden Rahmen, der in eigene innerstaatliche Rechtsvorschriften übernommen werden muss. Mit derzeit 183 Vertragsparteien (Stand Juni 2019) gehört die 1973 ins Leben gerufene CITES zu den Naturschutzabkommen mit der grössten Mitgliederzahl.
In drei Anhängen sind alle derzeit bekannten Tier- und Pflanzenarten nach ihren Schutzstatus kategorisiert. Die Aufnahme in eine der drei Anhänge entscheidet darüber, ob und in welchem Rahmen eine Spezies und Subspezies sowie Teile von ihr gehandelt, bejagt und gehalten werden darf. Der Export und Import von lebenden Tieren und Pflanzen oder deren Teilen sind je nach Gefährdungsgrad entweder verboten oder brauchen eine Bewilligung.
Der Anhang I für akut bedrohte Arten
Im Anhang I aufgeführte Arten sind akut bedroht und durch den Handel gefährdet und erhalten daher den höchsten Schutzstatus. Der Handel mit wild lebenden Exemplaren bzw. Teilen dieser Arten ist verboten (z.B. Elfenbein, Rhinohorn, Schildpattprodukte). Ausgenommen sind u.a. Vorerwerbsexemplare {Exemplare, welche vor Inkrafttreten des Übereinkommens für die betreffende Art in den Handel kamen – z.B. Antiquitäten mit Elfenbein. Ferner sind ausgenommen Produkte, die nachweislich von Zuchttieren stammen, sowie solche für Erhaltungszuchtprogramme und Forschungszwecke.
Der Anhang II für gefährdete Arten
Anhang II führt Arten auf, die zwar noch nicht unmittelbar vom Aussterben bedroht sind, deren Bestand aber gefährdet würde, sollte der Handel nicht strikt reguliert werden. Anhang II schliesst ausserdem viele Arten mit ein, die wegen ihres ähnlichen Aussehens leicht mit gefährdeten Arten auf Anhang I oder II verwechselt werden können.
Der Anhang III spezielle Länder
Anhang III listet Arten auf, deren internationaler Handel auf Antrag eines Verbreitungsstaates der entsprechenden Art reguliert wird und der nur die Bestände des betreffenden Landes umfasst, zum Teil sogar nur bestimmter Regionen.
Die noch existierenden Elefanten werden in drei Spezies unterteilt: den Afrikanischen Steppen- oder Buschelefanten (Loxodonta africana), den Afrikanischen Waldelefanten (Loxodonta cyclotis) und den Asiatischen Elefanten (Elephas maximus). Die beiden afrikanischen Elefantenarten gehören zur selben Gattung.
* Vorerwerbsexemplare sind Exemplare, welche vor Inkrafttreten des Übereinkommens für die betreffende Art in den Handel kamen (z.B. Antiquitäten mit Elfenbein).
VOM SCHUTZSTATUS ASIATISCHER ELEFANTEN
Anhang I führt den Asiatischen Elefanten auf sowie den Afrikanischen Steppen- oder Buschelefanten. Letzterer jedoch mit Ausnahme der Populationen in Botswana, Namibia, Südafrika und Simbabwe, die in Anhang II gelistet sind.
Auf der diesjährigen 18. CITES-Vertragsstaatenkonferenz im August einigten sich die Teilnehmenden darauf, die Exporte wild gefangener afrikanischer Elefanten – von Ausnahmefällen und Notsituationen abgesehen – auf Arterhaltungsprogramme in ihren natürlichen Lebensräumen zu beschränken sowie auf Fälle, in denen sich daraus nachweislich ein Nutzen für den Arterhalt in Afrika ergibt. Trotz dieses relevanten Beschlusses bleiben die Elefantenpopulationen in Südafrika, Botswana, Namibia und Simbabwe jedoch weiterhin im Anhang II gelistet, während alle anderen afrikanischen Elefanten im Anhang I verbleiben. Durch diese unterschiedliche Auflistung besteht nach wie vor eine rechtliche Grauzone.
* Elisabeth Labes ist Tierärztin, Artenschützerin und FSS-Mitglied in Zürich. Sie arbeitete mehrere Jahre in der Forschung und engagiert sie sich seit 15 Jahren aktiv für den Schutz von Orang-Utans und ihres Lebensraums auf Borneo.
Titelbild: Die befreiten Elefanten Joumbahn (vorne) und Mae Seng